Zweig, Stefan (1881-1942)
Graues Land
Wolken in dämmernder Röte
droh'n über dem einsamen Feld.
Wie ein Mann mit trauriger Flöte
geht der Herbst durch die Welt.
Du kannst seine Nähe nicht fassen,
nicht lauschen der Melodie.
Und doch: in dem fahlen Verblassen
der Felder fühlst du sie.
Lied des Einsiedels
Wie seltsam hat sich dies gewendet,
Daß aller Wege wirrer Sinn
Vor dieser schmalen Tür geendet
Und ich dabei so selig bin !
Der stummen Sterne reine Nähe
Weht mich mit ihrem Zauber an
Und hat der Erde Lust und Wehe
Von meinen Stunden abgetan.
Der süße Atem meiner Geige
Füllt nun mit Gnade mein Gemach
Und so ich mich dem Abend neige,
Wird Gottes Stimme in mir wach.
Wie seltsam hat sich dies gewendet,
Daß aller Wege wirrer Sinn
Vor dieser schmalen Tür geendet
Und ich dabei so selig bin
Und von der Welt nur dies begehre,
Die weißen Wolken anzusehn,
Die lächelnd, über Schmerz und Schwere
Von Gott hin zu den Menschen gehen.
Verflogene Sehnsucht
Die Frühlingsnacht naht lind und lau
Durch träumende Gelände.
Wie süßer Atem einer Frau
So lösungsmild, so zart, so lau
Sind ihre weichen Hände.
Die tragen Deine Sehnsucht fort,
Du fühlst sie Dir entschwinden ...
Nun weißt Du nicht ihr Ziel und Wort,
Suchst Deine Sehnsucht fort und fort
Und kannst sie nimmer finden ...