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Detlev von Liliencron

Heidebilder

Tiefeinsamkeit spannt weit die schönen Flügel, 


Weit über stille Felder aus. 


Wie ferne Küsten grenzen graue Hügel, 


Sie schützen vor dem Menschengraus.

Im Frühling rauscht in mitternächtiger Stunde 


Die Wildgans hoch in raschem Flug. 


Das alte Gaukelspiel: in weiter Runde 


Hör ich Gesang im Wolkenzug.

Verschlafen sinkt der Mond in schwarze Gründe, 


Beglänzt noch einmal Schilf und Rohr. 


Gelangweilt ob so mancher holden Sünde, 


Verläßt er Garten, Wald und Moor.

*

Die Mittagssonne brütet auf der Heide, 


Im Süden droht ein schwarzer Ring. 


Verdurstet hängt das magere Getreide,


Behaglich treibt ein Schmetterling.

Ermattet ruhn der Hirt und seine Schafe, 


Die Ente träumt im Binsenkraut,


Die Ringelnatter sonnt in trägem Schlafe 


Unregbar ihre Tigerhaut.

Im Zickzack zuckt ein Blitz, und Wasserfluten


Entstürzen gierig feuchtem Zelt. 


Es jauchzt der Sturm und peitscht mit seinen Ruten 


Erlösend meine Heidewelt.

*

In Herbstestagen bricht mit starkem Flügel


Der Reiher durch den Nebelduft. 


Wie still es ist! Kaum hör' ich um den Hügel 


Noch einen Laut in weiter Luft:

Auf eines Birkenstämmchens schwanker Krone


Ruht sich der Wanderfalke aus; 


Doch schläft er nicht, von seinem leichten Throne 


Äugt er durchdringend scharf hinaus.

Der alte Bauer mit verhaltnem Schritte 


Schleicht neben seinem Wagen Torf. 


Und holpernd, stolpernd schleppt mit lahmem Tritte 


Der alte Schimmel ihn ins Dorf.

*

Die Sonne leiht dem Schnee das Prachtgeschmeide; 


Doch ach! wie kurz ist Schein und Licht.


Ein Nebel tropft, und traurig zieht im Leide 


Die Landschaft ihren Schleier dicht.

Ein Häslein nur fühlt noch des Lebens Wärme, 


Am Weidenstumpfe hockt es bang. 


Doch kreischen hungrig schon die Rabenschwärme 


Und hacken auf den sichern Fang.

Bis auf den schwarzen Schlammgrund sind gefroren


Die Wasserlöcher und der See. 


Zuweilen geht ein Wimmern, wie verloren, 


Dann stirbt im toten Wald ein Reh.

*
Tiefeinsamkeit, es schlingt um deine Pforte 


Die Erika das rote Band. 


Von Menschen leer, was braucht es noch der Worte,


Sei mir gegrüßt, du stilles Land.