Gedicht der Woche
10.Jul 2022
von Monika Spatz (Kommentare: 0)
der in Bitternissen
immer zu dir steht,
der auch deine Schwächen liebt
weil du bist sein;
dann mag alles brechen
du bist nie allein.
3.Juli 2022
von Monika Spatz (Kommentare: 0)
Es kann die Ehre dieser Welt
Dir keine Ehre geben,
Was dich in Wahrheit hebt und hält,
Muss in dir selber leben.
Wenn's deinem Innersten gebricht
An echten Stolzes Stütze,
Ob dann die Welt dir Beifall spricht,
Ist all dir wenig nütze.
Das flücht'ge Lob, des Tages Ruhm
Magst du dem Eitlen gönnen;
Das aber sei dein Heiligtum:
Vor dir bestehen können.
Theodor Fontane
26.Juni 2022
von Monika Spatz (Kommentare: 0)
Nachtlied
Quellende, schwellende Nacht,
Voll von Lichtern und Sternen:
In den ewigen Fernen,
Sage, was ist da erwacht!
Herz in der Brust wird beengt,
Steigendes, neigendes Leben,
Riesenhaft fühle ich’s weben,
Welches das meine verdrängt.
Schlaf, da nahst du dich leis,
Wie dem Kinde die Amme,
Und um die dürftige Flamme
Ziehst du den schützenden Kreis.
Friedrich Hebbel
19.Juni 2022
von Monika Spatz (Kommentare: 0)
Mondscheinlerchen
Von dem Lager heb' ich sacht
meine müden Glieder,
eine warme Sommernacht
draußen stärkt sich wieder.
Mondschein liegt um Meer und Land
dämmerig gebreitet,
in den weißen Dünensand
Well' auf Welle gleitet.
Unaufhörlich bläst das Meer
eherne Posaunen;
Roggenfelder, segenschwer,
leise wogend raunen.
Wiesenfläche, Feld und Hain
zaubereinsam schillern,
badend hoch im Mondenschein
Mondscheinlerchen trillern.
„Lerche, sprich, was singst du nur
um die Mitternachtsstunde?
Dämmer liegt auf Meer und Flur
und im Wiesengrunde.“
„Will ich meinen Lobgesang
halb zu Ende bringen,
muß ich tag- und nächtelang
singen, singen, singen!“
Gerhart Hauptmann
12.Juni 2022
von Monika Spatz (Kommentare: 0)
Bäche zittern silbern
Bäche zittern silbern,
Gräser glittern und nicken,
Und weiße Anemonen
Blicken zum blauen Himmel.
Ich ging in jungen Gräsern
Mit meinem weichsten Schritt,
Die Amsel hat gesungen,
Und mein Herz sang mit.
Max Dauthendey
5.Juni 2022
von Monika Spatz (Kommentare: 0)
Der Spinnerin Lied
Aus der Chronik eins fahrenden Schülers
Es sang vor langen Jahren
Wohl auch die Nachtigall,
Das war wohl süßer Schall,
Da wir zusammen waren.
Ich sing‘ und kann nicht weinen,
Und spinne so allein
Den Faden klar und rein
So lang der Mond wird scheinen.
Da wir zusammen waren
Da sang die Nachtigall
Nun mahnet mich ihr Schall
Dass du von mir gefahren.
So oft der Mond mag scheinen,
Denk ich wohl dein allein,
Mein Herz ist klar und rein,
Gott wolle uns vereinen!
Seit du von mir gefahren,
Singt stets die Nachtigall,
Ich denk‘ bei ihrem Schall,
Wie wir zusammen waren.
Gott wolle uns vereinen
Hier spinn‘ ich so allein,
Der Mond scheint klar und rein,
Ich sing‘ und möchte weinen!
Clemens Brentano
29.Mai 2022
von Monika Spatz (Kommentare: 0)
Der alte Narr
Ein Künstler auf dem hohen Seil,
Der alt geworden mittlerweil,
Stieg eines Tages vom Gerüst
Und sprach: Nun will ich unten bleiben
Und nur noch Hausgymnastik treiben,
Was zur Verdauung nötig ist.
Da riefen alle: Oh, wie schad!
Der Meister scheint doch allnachgrad
Zu schwach und steif zum Seilbesteigen!
Ha! denkt er, dieses wird sich zeigen!
Und richtig, eh der Markt geschlossen,
Treibt er aufs neu die alten Possen
Hoch in der Luft und zwar mit Glück,
Bis auf ein kleines Missgeschick.
Er fiel herab in großer Eile
Und knickte sich die Wirbelsäule
Der alte Narr! Jetzt bleibt er krumm!
So äußert sich das Publikum.
Wilhelm Busch
22.Mai 2022
von Monika Spatz (Kommentare: 0)
Der Sommer
Der Sommer, der Sommer,
Der schenkt uns Freuden viel:
Wir jagen dann und springen
Nach bunten Schmetterlingen
Und spielen manches Spiel.
Der Sommer, der Sommer,
Der schenkt uns manchen Fund:
Erdbeeren wir uns suchen
Im Schatten hoher Buchen
Und laben Herz und Mund.
Der Sommer, der Sommer,
Der heißt uns lustig sein:
Wir winden Blumenkränze
Und halten Reigentänze
Beim Abendsonnenschein.
August Hoffmann von Fallersleben
15.Mai 2022
von Monika Spatz (Kommentare: 0)
Der alte Barbarossa,
Der Kaiser Friederich,
Im unterird'schen Schlosse
Hält er verzaubert sich.
Er ist niemals gestorben,
Er lebt darin noch jetzt;
Er hat, im Schloss verborgen,
Zum Schlaf sich hingesetzt.
Er hat hinabgenommen
Des Reiches Herrlichkeit
Und wird einst wiederkommen
Mit ihr zu seiner Zeit.
Der Stuhl ist elfenbeinern,
Darauf der Kaiser sitzt;
Der Tisch ist marmelsteinern,
Worauf sein Haupt er stützt.
Sein Bart ist nicht von Flachse,
Er ist von Feuersglut,
Ist durch den Tisch gewachsen,
Worauf sein Kinn ausruht.
Er nickt als wie im Traume,
Sein Aug' halb offen zwinkt,
Und je nach langem Raume
Er einem Knaben winkt.
Er spricht im Schlaf zum Knaben:
"Geh hin vors Schloss, o Zwerg,
Und sieh, ob noch die Raben
Herfliegen um den Berg!
Und wenn die alten Raben
Noch fliegen immerdar,
So muss ich auch noch schlafen
Verzaubert hundert Jahr."
Friedrich Rückert
8.Mai 2022
von Monika Spatz (Kommentare: 0)
Die Erlen
Wo hier aus den felsichten Grüften
Das silberne Bächelchen rinnt,
Umflattert von scherzenden Lüften
Des Maies die Reize gewinnt,
Um welche mein Mädchen es liebt
Das Mädchen so rosicht und froh
Und oft mir ihr Herzchen hier gibt,
Wenn städtisches Wimmeln sie floh;
Da wachsen auch Erlen, sie schatten
Uns beide in seliger Ruh,
Wenn wir von der Hitze ermatten
Und sehen uns Fröhlichen zu.
Aus ihren belaubeten Zweigen
Ertönet der Vögel Gesang
Wir sehen die Vögelchen steigen
Und flattern am Bache entlang.
O Erlen, o wachset und blühet
Mit unserer Liebe doch nur
Ich wette, in kurzer Zeit siehet
Man euch als die Höchsten der Flur.
Und kommet ein anderes Pärchen,
Das herzlich sich liebet wie wir
Ich und mein goldlockiges Klärchen,
So schatte ihm Ruhe auch hier.
Novalis